Offene Standard-Formate gegen Firmenformate |
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Ganz früher, in der Zeit, bevor die PCs aufkamen, gab es in der EDV eigentlich nur Individual-Software, also Software, die für einen bestimmten Nutzer und einen bestimmten Zweck geschrieben war. Für die Daten, die man mit einer solchen Software verwalten konnte, dachten sich die Programmierer eigene Dateiformate aus. Das funktionierte prima - bis der Programmierer plötzlich nach Australien auswanderte. Dann war die Katastrophe oft da. Niemand war in der Lage, die Software und das zugehörige Datenformat weiterzupflegen. Neu angeheuerte Programmierer mußten oft mit unendlicher Mühe versuchen, hinter die Quellcodes ihrer Vorgänger zu steigen.
Mit den PCs kam eine neue Art Software auf - die Standardsoftware. Das war wie der Übergang von geschneiderter Kleidung zu Kleidung von der Stange. Zwar hatte jedes dieser Softwareprodukte ein eigenes Dateiformat, doch es wurde als großer Fortschritt empfunden, Daten mit anderen Leuten austauschen zu können, die die gleiche Software besaßen. Mit Textverarbeitungsprogrammen wie MS Word fing es an, in der Macintosh-Welt setzten sich vor allem DTP- und Grafikprogramme durch. Andere Typen von Standard-Software für Datenbanken und Tabellenkalkulation kamen im Laufe der Zeit hinzu.
Die Entwicklung geht jedoch weiter. Im Internet, wo viele unterschiedliche Rechner verkehren, lernten die beteiligten Anwender schon früh, sich auf gemeinsame, software-unabhängige Standards zu einigen. Eine "Erfindung" wie HTML paßte deshalb ganz folgerichtig in die Bedingungen der vernetzten Rechnerwelt. Mit dem Vordringen des Internets in den Bereich der Heim- und Arbeitsplatz-Computer gelangen solche software-unabhängigen Dateiformate heute immer mehr ins Bewußtsein der Anwender.
Derzeit sträuben sich noch viele Anwender, auf solche neuen, unabhängigen Dateiformate zu setzen. Schließlich hat man sich so schön gewöhnt an die alljährlich neuen Word- und Excel-Versionen. Es gab keine Diskussionen, welche Software man für die entsprechenden Dateitypen verwenden sollte, und die Software beherrschte ihr eigenes Dateiformat perfekt. Man brauchte nur den Umgang mit der Software erlernen, und dann konnte man arbeiten.
Aber ganz so einfach ist es eben doch nicht. Man mußte sich oft in neue Software-Versionen einarbeiten, und häufig genug mußten Daten von einer Software in eine andere übertragen werden, und es wurden im Großen gesehen viele, viele Mannjahre investiert, um von Zeit zu Zeit große Datenbestände in ein neueres, besseres Software-Produkt zu konvertieren, mit all der meistens erforderlichen händischen Nachbearbeitung. Software-Firmen, die einst führende Produkte herstellten, verschwanden in der Versenkung, es gab keine Produkt-Updates und keinen ordentlichen Support mehr. Fast jeder, der große Datenbestände pflegt, mußte schon ein oder mehrere Male die leidvolle Erfahrung machen, was es bedeutet, auf eine bestimmte Software gesetzt zu haben.
Denn glauben Sie ja nicht, die Tagebücher, die Sie heute mit MS Word, QuarkExpress oder Lotus WordPro erstellen, können Sie in 15 Jahren noch elektronisch lesen! Bis dahin wird es ganz andere Betriebssysteme geben, und die Wahrscheinlichkeit, daß es keine Rückwärtskompatibilität mehr gibt, ist mehr als wahrscheinlich. Selbst wenn Sie sagen: "ich brauche ja kein neues Betriebssystem" - vergessen Sie das. In ein paar Jahren ist Ihr PC kaputt, dann brauchen Sie einen neuen, und die alten Modelle, auf denen Ihre Software läuft, wird es nicht mehr geben.
An dieser Stelle setzen die neuen, aus dem Internet kommenden, standardisierten Sprachen an, wie HTML und CSS oder XML und XLS. Sie sind allesamt nicht nur plattformunabhängig, sondern auch software-unabhängig. Der Grund ist, daß es alles Klartextsprachen sind. Dateien in diesen Sprachen enthalten keine Steuerzeichen, es gibt keine Dateibereiche, die binär interpretiert werden müssen, keine block-orientierten Formate usw. Klartextsprachen sind so ersonnen, daß sowohl Computer als auch Menschen mit ihren Befehlen klarkommen können. Zum Editieren solcher Sprachen kann jeder noch so einfache, reine Texteditor herhalten.
Natürlich kann es in der fortgeschrittenen EDV-Welt keine Lösung sein, seine Daten jetzt plötzlich wieder mit einem Programm wie dem Windows Notepad-Editor zu bearbeiten. Das ist modernen Anwendern nicht zumutbar. Die Software-Schmieden basteln deshalb ja auch eifrig an Programmen, die das Editieren der neuen, unabhängigen Dateiformate dem modernen Arbeitsstil anpassen sollen.
Bei den standardisierten Klartextsprachen bestimmen die Software-Hersteller aber nur noch das Outfit und die Handhabung der Software, aber nicht mehr das Format dessen, worauf es letztlich ankommt: nämlich auf Ihre Daten!
Die neuen Sprachen entwickeln sich natürlich auch weiter, und die Wahrscheinlichkeit, daß man in zwanzig Jahren noch mit HTML arbeitet, ist ebenfalls eher gering. Doch wer heute sauberen Code in HTML erzeugt, wird es in Zukunft leichter haben, auf erweiterte Sprachen oder neuere Sprachversionen umzusteigen. Denn da es sich um durchdachte, offen dokumentierte Sprachen handelt, ist ein computergestütztes Umsetzen in andere, ähnliche Sprachen oder neuere Standards relativ einfach.
Wir können heute noch nicht wissen, wie die EDV-Welt in einem halben Jahrhundert aussehen wird. Aber wir können zumindest schon einsehen, daß die Klartextsprachen, von denen hier die Rede ist, die vertrauenswürdigsten Dateiformate sind, über die wir heute verfügen.
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